
Straßen ohne Ende
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Die Badischen Neuesten Nachrichten haben über die Veröffentlichung des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) berichtet. Er erfasst den Zeitraum 2016 bis 2030. Der Plan enthält auf Karlsruher Gemarkung als ein vordringliches Anliegen die 2. Rheinbrücke mit der Verbindungsstraße zur B36. Der Bedarf beider Projekte wird als „hoch“ eingestuft. Die Umweltbelastung erhält jeweils die Einschätzung „niedrig“.
Der Bundesminister für Verkehr usw. schreibt im Vorwort: „Das Fundament von Wachstum, Wohlstand und Arbeit bilden Infrastruktur und Mobilität. Ohne Mobilität keine Prosperität – das ist ein ökonomisches Grundprinzip.“
Vertiefen Sie sich weiter z.B. in den Text der Zusammenfassung. Danach wissen Sie was wir für ein reibungsloses Funktionieren brauchen: Ungehinderte Mobilität als Exportnation, als Hochtechnologieland, als Transitland. Bis 2030, so wird erwartet, sollen der Personenverkehr um 12 % und der Güterverkehr um 38 % steigen.
Der Mensch sei immer mehr in Bewegung. Unsere Lebensentwürfe würden nach immer mehr ungehinderter Mobilität verlangen. Deutlicher kann nicht formuliert werden, wie die Fachleute unsere zukünftigen Anforderungen an die Lebensverhältnisse einschätzen. Unter diesen Annahmen wird es nichts aus dem vernünftigen Umgang mit den Ressourcen, mit dem Schutz der Natur, mit dem Abbau der Umweltbelastungen, mit dem Schutz des Klimas.
1995 waren wir schon einmal weiter. Damals haben Gutachter der Studie Belastungsgrenzen des Raumes Karlsruhe auch das Gebiet bewertet, das für die beiden benannten Projekte genutzt werden soll. Vor 20 Jahren wurde Knielingen West als unverzichtbarer Freiraum und als wichtiger Bestandteil der Vernetzung der Lebensräume im Auenbereich betrachtet. Dieses Urteil hat die Stadt 2011 mit der ökologischen Tragfähigkeitsstudie wieder kassiert. Dem Urteil „niedrig“ für die Belastung der Umwelt stand nichts mehr im Wege.
Zu dieser Beurteilung der Umweltlast hat auch die Darstellung der Biotopverbundplanung auf Karlsruher Gemarkung aus dem Jahr 2010 beigetragen. Dort reduzierte die Stadt die Anforderungen an einen Biotopverbund auf den schmalen Grünstreifen am Ufer des Rheins zwischen Ölhafen und StoraEnzo. Die Gutachter aus der Zeit um 1995 hielten es noch für erforderlich, das Raffineriegelände an seinem östlichsten Ende um 300 - 400 m zurückzunehmen und – wie schon gesagt - die ganze Fläche Knielingen West von einer Bebauung frei zu halten.
Die Stadt kam mit diesen beiden Werken dem Straßenbau und der Gewerbeansiedlung sehr entgegen. So stärkt sich der Zweifel, dass die Stadt ihren Einspruch gegen die Planung 2. Rheinbrücke bis B36 wirklich ernst meint. Was hat sie jetzt noch entgegen zu halten, zumal sich der Bürger um diesen Eingriff in sein Revier so wenig eigene Gedanken macht? Oder besser, Zustimmung und Ablehnung sich die Waage halten, je nach Betroffenheit?
Das Hofgut Maxau verfügt auf Knielingen West über große Ackerflächen. Die Pächter haben die Absicht, nach den Regeln von Naturland zu bewirtschaften. Es ist fraglich, ob sie diese Absicht nach Wegfall der Äcker auch umsetzen können. Fruchtwechsel und Stilllegungen werden dann kaum noch möglich sein. Auch diese Bemühungen, ein Beispiel für die Vereinbarkeit von Wirtschaftlichkeit und Naturschutz vorzulegen, wären gescheitert.
Nicht unerwähnt soll hier bleiben, dass die Diskussion um die Nutzung der Burgau als Retentionsraum noch nicht vom Tisch ist. Wenn die zeitweise Überschwemmung der Burgau als Hochwasserschutzmaßnahme tatsächlich umgesetzt wird, dann ist es wohl aus mit einer sinnvollen landwirtschaftlichen Nutzung.
Wir haben schon jetzt erhebliche Mühe, den Ausgleich für den 2013 vom Hofgut ausgehenden Eingriff in den Lebensraumtyp „Magere Flachland-Mähwiesen“ im Bereich Knielingen-Nord festzuzurren. Dafür müssen in erster Linie die Felder auf Knielingen-West für Ackerrandstreifen, Blühstreifen, Lerchenfenster herhalten. Der Erfolg solcher Mühen wird unter der neuen Straße und unter dem Gewerbe verschwinden. Zwischen den Biotopen der Rheinauen bei Neureut und denen der Burgau wird die Verbindung endgültig zerstört. Und wo ist danach erneut ein Standort für Ausgleichsmaßnahmen zu finden?
Die 2. Brücke mit Straße zur B36 wird erforderlich, weil wir unsere lieb gewordenen Wohlstandsartikel immer intensiver nutzen wollen. Die Gutachter der BVWP haben ein gutes Gespür für die Nutzlosigkeit aller Bemühungen um alternative Lebenszuschnitte.
Anlagen:
BNN vom 02.04.2016 Seite 21
Bundesverkehrswegeplan 2030
Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030
Belastungsgrenzen des Karlsruher Raumes 1995 (freiräumliches Leitbild)
Tragfähigkeitsstudie 2011
Biotopverbund Stadt Karlsruhe 2010
Biotopverbund Stadt Karlsruhe 2010 Zielkarte
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max.albert@mail.de Karlsruhe, 04.2016